In den 1980er-Jahren war Peppermint Park der Titel einer Reihe von pädagogischen Heimvideos. Ihr Produzent, eine Investorengruppe, wollte aus den Erzählmodellen Profit schlagen, die die Sesamstraße zu Bildungs- und Unterhaltungszwecken für Kinder entwickelt hatte. In der Show treten verschiedene Puppen auf, die Kindern unterschiedliche Lektionen beibringen – von Buchstaben, Zahlen und Farben bis hin zu Tieren und anderem. Als ich klein war, besaß ein Freund der Familie mehrere Kopien der VHS-Kassetten und ich weiß noch, wie mir die für mich unerklärliche Tanzsequenz einer ausreißenden Marionette, die wie eine Vogelscheuche aussah, Angst einjagte. Vor einigen Jahren tauchten einige Ausschnitte aus der Show im Internet wieder auf; seither hat sich meine Beziehung zu der tanzenden Vogelscheuche von Entsetzen zu Faszination gewandelt.
2010 bewiesen der Physiker Aaron O’Connell und seine Kollegen, dass ein kleines, mit bloßem Auge erkennbares Stück Metall zur gleichen Zeit schwingen und nicht schwingen kann. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass Gegenstände unabhängig von ihrer Größe an zwei Orten zugleich sein können. Wie es scheint, bedeutet Existenz also, unbeständig zu sein, während Sterben bedeutet, beständig zu werden. Oder dass klassische Logik – in der ein Ding entweder A oder B, niemals jedoch A und B zugleich ist – abgelöst wird von einer Quantenlogik, nach der alle künftigen Möglichkeiten in der Gegenwart existieren.
Jeder gute theoretische Physiker weiß, dass seine Realitätsmodelle einen ästhetischen konzeptuellen Raum beschreiben, in dem alle Materie nur Information ist. O’Connell formuliert es so: „Menschen haben Realitätsmodelle, und diese Modelle sind Beschreibungen, bringen uns aber der Wahrheit nicht näher.“1 Wie Dinge aufgrund der physikalischen Kausalität erscheinen, spielt sich also in einem Kino der Objekte ab. Das soll nicht heißen, dass es Drehbuchautoren für unser Leben gibt, nur, dass jedes Schauen, jedes Messen auch eine Justierung, eine Farce, eine Übersetzung, eine Interpretation ist. Und wer könnte schon von sich behaupten, dass er oder sie nie auf Erzählungen zurückgreifen würde, um Dingen einen Sinn zu geben?
Eine Entität, die sich in der Quantenlogik auf den Tod zubewegt, könnte man für das Gegenstück zu der Erzählkonvention halten, wonach sich Film und Literatur auf ein Ende zubewegen. Dauer und Häufigkeit der Handlung auf der Leinwand (Plot) fallen zeitlich immer enger mit der chronologischen Abfolge der Ereignisse zusammen (Story). Nehmen wir James Camerons Science-Fiction-Actionthriller Terminator.
Im Jahr 1984 erscheint der Terminator aus dem Jahr 2029, um die weibliche Hauptfigur des Films, Sarah Connor, zu ermorden. Der gesamte Film besteht aus dieser Verfolgungsjagd und endet, als Sarah den Terminator in einer Hydraulikpresse zerstört. Plot und Story entsprechen einander hiereins zu eins – sie sind deckungsgleich – und das Publikum verlässt das Kino gebannt von einer amourösen Distanz.
Auflösung, Verwandlung, Entwicklung – Kinoleinwände und Fernsehbildschirme verlangen beständig nach neuen Ausdrucksformen. Diese neuen Inhalte entspringen einer Endlosschleife, die sie zugleich reproduzieren – eine ziellose, unendliche Menge an kommerziellen Produktzyklen, die sich hinter neuen Gesichtern und Moden verstecken. Im Ausstellungsraum wird die unendliche Kausalschleife jedoch zu einer Erzähltechnik, die auf der Oberfläche zur vollen Entfaltung kommen kann. Sie bildet eine Schleife, bevor irgendjemand auf der Bildfläche erscheint und nachdem alle verschwunden sind. Die Erzählschleife wird zum realen Objekt.
Ich will damit nicht sagen, dass ich mich als Künstler besonders befreit fühle. Und ich habe mit dem Gedanken gespielt, mir ein Boot zu kaufen und angeln zu lernen, um das Meer essen und den Regen trinken zu können, frei von allen Verpflichtungen, die eine Mietwohnung und ein Beruf mit sich bringen. Doch vielleicht hat mich diese Aussteiger- und Angellaune, die ich mir als Erinnerung an eine mögliche Alternative bewahre, wie ein Ablenkungsmanöver in einem Film in die Irre geleitet, so dass ich meine dann freier zu sein. Vielleicht sollte ich in eine Zukunft investieren und anfangen, Geld zu sparen und Eigentum zu erwerben, anstatt in Wohnzimmern und fremden Betten zu schlafen, bloß um Dinge zu machen, die niemand gebrauchen kann.
Ist ein Kühlschrank ein MacGuffin, eine Technik, die dazu dient, Erzählungen über Wirtschaftswachstum, technischen Fortschritt und Familienwerte eine bestimmte Richtung zu geben? Ein Produkt, das man wiederum mit weiteren Produkten zu füllen hat? Wenn ich Kinder hätte, wäre der Kühlschrank dann der Grund, warum sie bei mir blieben? Und wenn sie mich nicht mehr bräuchten, würden sie mich dann genauso lieben? Würden sie von meinem Tod und ihrem Erbe träumen? Schon gut, ich bin momentan nicht dieser Mensch. Und überhaupt bin ich ein Strohmann-Argument – eine rhetorische Technik, ein Trugschluss, ein Widerspruch – und versuche nur, durch diesen gottverdammten Tag zu kommen. Vielleicht gibt es viele weitere Tage … selbst wenn es ausschließlich nach mir ginge, wäre ich mir da nicht so sicher. Ich stelle mir die Unendlichkeit des Todes vor und breche in Panik aus. Ich zittere innerhalb dieser geschlossenen Gedankenschleife, fühle mich jedoch mit allen anderen verbunden, die je deswegen existiert haben. Mensch zu sein bedeutet, an der Wahnvorstellung zu leiden, dass man eine willenlose Puppe sein könnte, und Künstler zu sein bedeutet, Dinge zu machen, die man gerne auf der Welt sehen möchte, um dieser Wahnvorstellung zu trotzen, indem man an all dem vorbeikommuniziert, was man rational wegerklären könnte.
1 Aaron O’Connell, „Struggling with Quantum Logic: Q&A with Aaron O’Connell” www.blog.ted.com, 2011 (abgerufen am 19. Aug. 2016)